Kleines Büchlein du darfst eilen
Ovid´s Büchern der Trauer, frei übersetzt

Ovid´s Büchern der Trauer, frei übersetzt

An den Vater | | 1836 |

Kleines Büchlein, du darfst eilen
Hin zum frohen Siegersitz,
Und ich kann den Weg nicht theilen,
Denn mich traf des Jovis Blitz.

Geh! in dürftigen Gewanden,
Trag’ des Herren Trauerkleid,
Schmucklos, wie es ziemt Verbannten,
Wie’s gebeut der Sturm der Zeit.

Purpur’n soll kein Schleier prangen,
Um dich in Violenblut,
Sehnsucht ach! und leer Verlangen
Schmückt nicht hohe Freudengluth.1

Birg den Namen, schamhaft schweigend,
Dufte nicht von Cedersaft,
Und kein Silberbuckel neigend,
Stör’ das Schwarz’ am krummen Schaft.

Glückbeseelte Schrift erwählet
Solcher Zierde selt’ne Pracht,
Nur mein Schmerz sei dir vermählet,
Und der Trauer dunkle Nacht.

Zotticht rauh magst du erscheinen,
Wie in wildgelöstem Haar,
Und nicht glättend soll sich einen
Bimsstein zart und wunderbar.

Ist dein bleiches Antlitz trüber,
Trüber noch durch mich befleckt,
Ach! die Zähre rann hinüber,
Bis sie heiß dich zugedeckt!

Geh’ mein Buch und grüß die Räume,
Grüß’ den heilig theuren Ort,
Dorthin tragen mich die Träume,
Phantasie und Zauberwort.

Wenn vielleicht Erinn’rungsahnen
Manchen faßt, der dich erblickt,
Wenn dich Fragen stürmisch mahnen
Nach dem Herrn, der dich geschickt;)

Daß ich lebe, darfst du sagen,
Daß gerettet, sage nicht,
Selber, daß die Pulse schlagen,
Gnade sei es, Wohlthat nicht.

Und wer mehr will, gieb dich leise,
Stillbehutsam ihm dahin,
Daß nicht unbedachter Weise,
Strafbar Wort und Laut entfliehn.

Mancher wird dich höhnend schelten,
Wird erneuen mein Vergehn,
Du auch für Verbrecher gelten,
Mußt beschämt zu Boden sehn.

Kränkt dich Vorwurf und Verdammen,
Hör’ sie stillgelassen an,
Feuer löschen nicht die Flammen,
Das Vergehn nicht Täuschungswahn.

Doch du wirst auch manchen finden,
Der in Seufzern zu dir spricht,
Zähren werden hold erblinden
Seines Auges Sehnsuchtslicht.

Und aus seiner Brust wird’s tönen,
Leis in vollem Liebesdrang:
„Könnt’ er Cäsar’n doch versöhnen,
Mildern, ach!, der Strafe Zwang.”1

Und wer immer freundlich redet:
„Daß der Gott besänftigt sei!”
Sieh! mein Busen für ihn betet:
„Donner zieht an ihm vorbei!”

Möcht’ sein Wunsch sich doch gestalten,
Dürft’ ich sterben in dem Sitz,
Den die Götter inne halten,
Mög’ erkalten Cäsar’s Blitz!

Wenn du so den Gruß entsendet,
Wirst du selbst wohl angeklagt,
Daß nicht süsse Form gespendet,
Daß mein Geist nicht aufwärts ragt!

Doch der Richter muß erkennen,
Welche Zeit die That gebar,
Wird man sie erwägend nennen,
Bist du sicher vor Gefahr;

Denn der Dichtung Zauberfülle
Strömt aus frohbewegter Brust,
Ach und dunkle Nebelhülle
Deckt die Schläfe, bannt die Lust.

Und die Lieder alle trauern,
Daß der Sänger streng gebannt
Sturm und Meer und Winter schauern
Um das Haupt, ihm unbekannt!

Furcht darf nimmer eisig fassen
Soll der Prachtgesang entglühn
und ich weine, dumpf verlassen
Seh’ das Mordschwerdt schon entsprühn

Was ich immer jezt gegeben,
Staunen flößt’s dem Bill’gen ein,
Und er wird mein Werk erheben,
Wird gedenken meiner Pein

Gieb mir selbst den Maeoniden, (Homer)
Stürz’ ihn so in Unglücksschaar
Hin die Zauberhaft, geschieden,
Blickt sein Auge die Gefahr

Doch mein Buch, nur hingegangen,
Sorglos um der Fama Wort,
Und sei nicht von Schaam umfangen,
Wirft der Leser rauh dich fort

Nicht des Glückes weiche
WellenTragen so mich Liebehold’
daß nach Lob die Geister schwellen
Daß ich werbe Sangessold

Als noch Lust mich süß gebettet
Schlug Begeist’rung rieselnd auf,
An des Ruhmes Wahn gekettet
An des Namens Weltenlauf.

Wenn jezt noch die Zyther klinget,
Wenn nicht ausgeflammt der Drang,
Dann genug mein Herz erringet,
Denn mich stürzte der Gesang.

Geh’ nun, geh’, dir ist’s verliehen,
Schau für mich du Romas Pracht,
Dürft’ ich jezt statt deiner ziehen,
Mild von einem Gott bewacht!

Glaub’ nicht, daß ein Unbekannter
Du betrittst die grosse Stadt,
Daß ein spurlos nicht genannter,
Du dem Volke dich genaht!

Fehlt dir Titel auch und Zeigen,
Deine Farbe nennt dich schon,
Wolltest du mich selbst verschweigen,
Ach! du sprächst dir selber Hohn.

Heimlich trete in die Pforte,
Daß dich nicht mein Lied verlezt,
Nicht mehr singt es Liebesworte,
Die das trunk’ne Herz ergezt!

Wer dich schnöde von sich weiset,
Weil mein Mühen dich gebar,
Dich Verführer finster heisset,
Ueppig schwellend von Gefahr;)

Sag ihm: „lies nur meinen Namen,
Süsse Liebe lehr’ ich nicht,
Ach! die strengen Götter kamen,
Hielten schon ihr Hochgericht!”

Woll’ nicht zu der Halle steigen,
Die zum Himmel stolz sich wagt,
Nicht dich Cäsar’s Meuten zeigen,
Wo die Säule höher ragt;

Jene hochgeweihten Sitze
Kennen Deinen Herren nicht,
Von der Burg entlodern Blitze,
Traf mein Haupt das Hochgericht!1

Götter bergen zwar die Hallen,
Groß und Gnadenreich und mild,
Doch, wenn Stürme ihm entwallen,
Fürchten wir des Lenzes Bild!

Ach! die Taube bebt erschrocken
Vor dem Zephir, der sich regt,
Küßt sie noch die Wunde trocken,
Die der Habicht blutend schlägt.

Und wenn aus des Wolfes Zähnen
Aengstlich sich das Lamm entwand,
Wagt es nur sich hinzulehnen
An des Pferges nied’re Wand!1

Phaeton würd’ nimmer schwirren,
Lebt’ er, zu des Aethers Höhn,
Nicht die Rosse thöricht schürren,
Die der Stolze sich ersehn.

Und ich fürcht’ des Jovis Waffen,
Flieh’ vor seinem Flammenmeer,
Wenn die Himmel donnernd klaffen,
Glaub’ ich, treffe mich sein Speer.

Welcher Argoler auch immer,
Capharischem Strand entsprang,
Seine Segel lenkt er nimmer,
Zu Euböas Fluthendrang.

Und mein Kahn, vom Sturm gesenket,
Wagt der Stätte nicht zu nahn,
Zaghaft weg von ihr gelenket,
Kreist er fernwärts seine Bahn.

Drum mein Buch, mit klugen Sinnen,
Siehe dich bedachtsam vor,
Woll’ nicht höh’ren Ruhm gewinnen,
Leiht die Masse dir ihr Ohr.

Icarus, als er vermessen
Hoch sich mit dem Flügel schwang,
Seinem Nam’ ward nicht Vergessen,
Den des Meeres Welle sang.!

Ob die Ruder kühn zu treiben,
Ob die Segel mild zu schwelln,
Laß es ferner Stunde bleiben,
Laß es Zeit und Ort erhelln.

Wenn die Stirne frei verkläret,
Wenn sein Antlitz Milde haucht,
Wenn der Zorn, den er genähret,
Stummgebrochen untertaucht;

Wenn dich, das von Furcht erbleichet,
Das zu nahen nicht gewagt,
Freundeswort und Hand ihm reichet,
Geh’ hinzu, das Dunkel tagt.

Milder schlägt des Schicksals Stunde,
Seel’ger du, als der dich schuf,
Sanfter brennt die heisse Wunde,
Und es tönt der Gnade Ruf.

Denn die Wunde kann nur stillen,
Der sie selber zürnend schlug,
Wie Telephus von Achillen,
So den Schmerz, wie Lind’rung trug.

Sieh’ nur, daß du Gift nicht spendest,
Wenn du Rettung zugedacht;
Hoffnung! Luftgebild, du wendest
Vor der Furcht dich bang in Nacht!1

Ha! verhüthe, daß nicht stürmend,
Zorn, der leise schlief, erwacht,
Neues Unheil auf mich thürmend,
Das du thöricht aufgefacht.

Doch wirst du beglückt empfangen
In der Muse Heiligthum,
Darfst du in dem Hause prangen,
Wo sich Schrift vermählt und Ruhm,

Angereiht wirst du erblicken,
Dort gelehnt der Brüder Schaar,
Die ich zeugt’ im Hochentzücken,
Wenn der Tag geschieden war.1

Alle tragen stolz und offen
Ihren Namen, Siegbewußt,
An der Stirne, gleich wie Hoffen
Prangt er und wie Dichtungslust.

Drei nur zögern fern gesellet,
Rings von Dunkel eingehüllt,
Liebeskunst sie üppig schwellet (ars amandi)
Und den Busen Scherz erfüllt.

Flieh’ sie oder ruf’ vermessen
Fluch und Unheilsschwang’ren Rath,
Oedips frevlendes Vergessen,
Telegons verruchte That!

Sänge, neulich kaum gerissen
Aus der Flamme jähem Tod,
Lassen dich Verwandlung wissen, (Metamorphoses)
Und der Welten Geistgebot.

Zu verwandelt fremden Wesen,
Melde, wie mein Wort gebeut,
Sei mein Schicksal auserlesen,
Und es hab’ die Form erneut.

Denn wie anders saugt’ ich Gluthen
Von des Glückes Purpurmund,
Wo die Thränen jezt umfluthen,
Schlossen Götter ihren Bund!

Wenn mich deine Blicke fragen,
Vieles möcht’ ich noch bestelln,
Doch die schlanken Horen schlagen
Weiter ihre raschen Welln.

Wollt’ ich alles mit dir senden,
Was den Busen stürmisch faßt,
Ach! ich könnte nimmer enden,
Und den Träger beugt die Last.

Lang der Weg! drum Büchlein eile,
Denn der Erde fernstes Land,
Ist’s, das ich mit Scythen theile,
Land vom Lande weggewandt!