Der Wilden Brautgesang (Ballade)

Sie tritt aus Schilf und Röhren
Im lockig schwarzen Haar:
„Mir soll nicht mehr gehören,
Was stets mein eigen war.“

„Ich lauschte hier den Wellen
Dem hohen Wasserfall,
Und schlürpft‘ aus seinen Quellen
Und bebt‘ vor seinem Schall.“

„Hier floh auf Fels und Stegen
Vor mir das Reh, so schlank,
Bis es dem Pfeil erlegen,
Und sterbend niedersank.“

„Hier hab ich eine Eiche
Mir selber großgezielt,
Die hohe, schattenreiche,
Die mit dem Blitze spielt.“

„Hier flocht‘ ich mir aus Zweigen,
Aus weichem Laub und Moos,
In kunstgezierten Reigen
Den Kranz, so voll, so groß.“

„Den weiht‘ ich frommgeschäftig
Den Geistern in der Luft,
Die wohnen schön und mächtig
Jezt in dem Balsamduft.“

„Hier irrt‘ ich in dem Brausen
In Donnersungestüm,
Wenn die Dämonen hausen
In Schrecken und in Grimm.“

„Hier lag ich hoch und prangend,
Wenn alles rings gelacht,
Hier schaut‘ ich still verlangend
In Dunkel und in Nacht.“

„Stieg wagend oft in Tiefen
Zu suchen einen Schatz,
Man sagt, daß viele schliefen
Am stillverborg’nen Platz.“

„Und alles soll ich missen,
Verlassen Vaterhaus,
Die Kränze sind zerrissen,
Die Jugend, sie ist aus.“

Sie wirft sich bebend nieder,
Die Brust pocht bang und laut,
Sie schlägt sich stumm die Glieder,
Die wilde braune Braut.

Rings ist sie eingeschlossen
Von Berg und Gruft und Stein,
Und liegt dahingegossen
Ein Bild von dumpfer Pein.

Die langen Haare rollen
Wohl um den schlanken Leib,
Da hört man’s ferne grollen,
Es naht ein ältlich Weib.

Das Alter hat gezogen
Viel Falten in’s Gesicht,
Aus starkgeschnitt’nen Wogen
Die harte Seele spricht.

Die Farbe scheint getauchet
In Düster und in Nacht,
Der Blick nicht Milde hauchet,
Und keine Muskel lacht.

Sie hebt sich stämmig ragend
So wie ein Fels empor,
Aus Glas ’ne Kette tragend
Und Ringe in dem Ohr.

„Was eilst du weg vom Hause,
Du ungehorsam Kind,
Komm mit zum Hochzeitschmause,
Wo viele Gaben sind.“

„Da will ich reich dich schmücken,
Mit Ringen und mit Stein,
Kundin an’s Herz dir drücken,
Die Schönste sollst du sein.“

„Ein Kleid hab‘ ich gewebet
Aus zartem Stroh und Halm,
Und zitternd drüber bebet
Des Weihrauchs süsser Qualm.“

„Komm! alle Nachbarn bringen
Dir Gaben, reich und viel,
Und Festgesänge klingen,
Und buntes Hochzeitsspiel.“

Die Tochter blickt entsetzet
Zur Mutter bebend bang,
Ihr Herzblut ist verletzet,
Dann tönt’s, wie Grabgesang:

„Ist Platz nicht in der Hütte
Für alle aufbewahrt?
Ihr treibt aus eurer Mitte,
Die sich so gern euch paart.“

„Ich soll dem Mann mich schmiegen,
Soll seine Sklavin sein,
Mich ihm, dem Rauhen fügen,
Mich ihm als Opfer weihn!“

„Frei darf der Rehbock jagen
Durch Busch und Berg und Thal,
Frei darf der Vogel wagen,
Den Flug in Licht und Strahl.“

„Frei darf das Wasser strudeln
Von Klipp‘ und Felseshöhn,
In Tropfentanz und Sprudeln
Sich wonniglich ergehn.“

„Und ich bin angekettet
Für stets dem rauhen Mann,
Kein Gott mich mild errettet,
Aus Sklaverei und Bann.“

„Wenn wir das Wild erlegen,
Sträubt es sich sterbend noch,
die Rosse, die wir hegen,
Sie bäumen unter’m Joch.“

„Die Bäume, die wir fällen,
Sie stürzen krachend dumpf,
Und wie ein Geistergellen
Hallt es aus ihrem Rumpf.“

„Und ich, die, wie ihr saget,
Vom guten Geiste stammt,
Die hoch den Nacken traget,
Bin Sklavin und verdammt!“

„Mein Alles muß ich geben,
Den Leib, der unentweiht,
Der schlanker als die Reben,
Den Busen, voll und breit.“

„Mein Alles wird sein eigen,
Des Odems warmer Hauch
Ich muß mich zuckend neigen,
Nach Opfers Wehebrauch.“

„Was ich mir froh erworben,
Was ich mir liebgewann,
Euch bin ich nun gestorben,
Und nur dem harten Mann.“‚

„0! laßt mich fliehn in Buchten
Dem Raubthier zugesellt,
Wo sich in Fels und Schluchten
Der Schreck entgegenstellt!“

„So lieb ist mir die Stätte,
So werth der stille Raum,
Zum Grab wird mir das Bette,
Zum Grab der Hochzeitsbaum.“

Aus der Mutter rauhen Ziigen
Eine mild’re Sonne spricht,
Als wenn Geister aus ihr schligen
Voll Erin’rung und voll Licht.

„Bei der Dämm’rung darfst du hören,
Was dein Gatte kühn gethan,
Wie nicht Kluft und Fels ihn stören,
Wie vergebens Feinde nahn.“

„Zarte Kinder darfst du pflegen
An dem Busen liebewarm
Darfst dich kosend bei sie legen
Darfst sie pressen in dem Arm.“

„Ha! mich kann es nimmer freuen,
Wenn er kämpfet, wenn er siegt
denn er wird den Sieg erneuen
Bei der Armen, die erliegt.“

„Geisseln wird er meine Kleinen,
Die ich an dem Busen trug,
Und noch fröhlich muß ich scheinen,
Wenn nur mich sein Schilfrohr schlug.“

Doch das Herz der rauhen Alten
Hat nur plötzlich aufgeblitzt,
Und die Züge schon erkalten,
Starrsinn eisig drüber sitzt

Glaubst du dich erhaben allen,
Willst du besser als wir sein?
Was uns längst schon zugefallen,
Dir auch werde Druck und Pein!!“

„Willst du nicht dich folgsam wenden,
Schlepp‘ ich dich zur Wohnung hin,
Werd‘ ich dich mit meinen Händen
An dem Haar zum Festbaum ziehn.“

„Sei’s! ich will mich ihm ergeben,
Folgen zu des Fluches Haus!“
Und die Nerven alle beben,
Und das Haar es sträubt sich kraus.

Dumpf zerschmettert stürzt sie nieder,
Und ein Schrei heult aus der Brust,
Dann erhebt sie rasch sich wieder,
Folget zu dem Sitz der Lust.

Und die Berge stolz sieh lehnen,
Und der Himmel golden lacht,
Denn er kennt nicht Menschensehnen,
Freut sich ruhig seiner Pracht.

Knospen schwellen, Blüthen prangen
Denn nichts Grosses ist gesehehn
Eine Seele Todtumfangen,
Und ein Herz muß stumm vergehn