Alboin und Rosemunde (Romanze)

Buch der Lieder | | 1836 |

Alboin, der kühne Streiter
Taumelt wild sein rasches Roß
Freudig übt der stolze Reiter
Sich in Bogen und Geschoß

Und es folget der Vasallen
Kampfgeübtes wacker Heer
Und die Mauern und die Hallen
Alle stehen stumm und leer

Alle treibt es zu gewinnen
Beute sich und Sieg und Ruhm,
Und in kühnem Wagbeginnen
Sammelt sich das Ritterthum

Und es tönet durch die Runde:
„Führe uns zu Kampf und Schlacht,
Dem Gepiden Kühnemunde
Sei der Tod in’s Land gebracht.”

Und der Führer nicket leise,
Alles stürmet rasch hinan,
Jeder geht nach seiner Weise
Auf des Ruhmes blut’ger Bahn.

Auf den stolzen Rossen sitzen
Reiter, kühn und hoch und hehr
Und die hellen Waffen blitzen
Und es klinget Schild und Speer.

Allen scheinet tief zu flammen
In der Brust der Kriegesgott
Scheinen mir von ihm zu stammen
Und ihr kecker Lebespott

Und die Erde prahlt in Prangen,
Weil sie solche Männer trägt,
Und des Busens Gluthverlangen
Jedem aus dem Auge schlägt.

Schon erblitzen die Gefilde
Von der Sonne Lebensstrahl
Und in blut’gem Glanz und Bilde
Lacht das tiefe, weite Thal.

Die Gepiden kämpfen glühend
Für den König und ihr Gut,
Und von Rache tief ersprühend
Schirren Weiher ihre Glut.

Eingehüllt in dichte Locken,
Singend lauten Kriegsgesang
Lassen sie den Kampf nicht stocken
Mehren sie der Kämpfer Drang.

Mancher stürzt zur kalten Erde
Dumpf vom hohen Kriegerroß,
Hin mit stummer Angstgeberde,
Tief erfaßt vom Todgeschoß.

Sieg scheint ihnen schon zu winken,
Rascher stürzen sie sich vor,
Und die kecken Feinde sinken,
Richten nie mehr sich empor.

Doch mit Donnerungestümme
Stürzet Alboin hinein,
Und gleich einem Ungethümme
Glänzet er in blut’gem Schein.

Alle müssen vor ihm weichen,
Jeden schleudert er in Nacht,
Seine raschen Pfeile reichen,
Wo das Auge nicht mehr wacht.

Und ein Gott scheint ihn zu schützen,
Pfeil und Bogen von ihm prallt,
Und von tausend scharfen Spitzen
Dumpf sein Panzerkleid erschallt.

III

Und er stürzet durch die Runde
Die erschrocken vor ihm weicht
Bis er König Kühnemunde
In dem eig’nen Heer erreicht

Der erbebt und schreckt und wanket,
Eisesschauer packt sein Herz,
Bis er langsam auf sich ranket,
Kämpfend in dem Todesschmerz

Doch schon stockt des Lebens Welle
Blut’ger Dampf das Haupt umraucht
Aus der Brust springt Blutesquelle,
Und die Seele ist verhaucht.

Die Gepiden packt es bange,
Alle fliehen von dem Ort,
Muthlos ziehet in dem Drange,
Einer jezt den andern fort

Und die Weiber stürzen stöhnend,
Ihren Gatten fluchend nach,
Ihre Feigheit wild verhöhnend,
Des Geschickes Ungemach.

Eine nur im Prachtgewande
Bleibet bei der Leiche stehn,
Denn sie fesseln theure Bande,
Und sie kann nicht weitergehn.

Alboin nach Volkessitte
Trennt das Haupte von dem Rumpf,
Spaltet rasch es in der Mitte,
Und sie zuckt, und heulet dumpf:

„Fluch soll dir der Himmel senden
Nacht sei dir der Sonne Licht
Eis sei Brand in deinen Händen,
Gift in jedem Leibgericht”

IV

„Wärst ein Mann, ich wollte hämmern,
Eisern Flüche auf dein Hirn,
Daß dir nie mehr Morgendämmern
Wogte um die schöne Stirn.”

„Doch! was seh’ ich! Prachtgebilde!
Meine Beute mußt du sein,
Schaue nicht so ernst, schau milde,
Alboin, der Herr ist Dein.”

“Ha! des Königs Blut zu schänden,
Der gestürzt vor Deinem Nahn!
Eh durchbohrt von eignen Händen,
Eh ich Alboin dir unterthan.”

„Ja! du bist von hohem Range,
Eine hehre Königin,
Sieh! ich füg’ mich deinem Zwange,
Geb’ mein Herz dir sklavisch hin.”

„Hast den Vater mir erschlagen!” —
„Doch! was braucht’s hier Worte viel
Auf dem Arm werd’ ich dich tragen,
Wie’s gestattet Kriegesspiel.”

Er umschlingt sie rasch und bebend,
Tragt sie in sein Lager hin,
Und sie sträubt sich widerstrebend,
Doch erweicht scheint wohl ihr Sinn.

Und er eilet rasch vorüber,
Wo ein wild Gepiden Weib,
Ihre Augen rollen trüber,
Und das Haar flieht um den Leib:

„Ha! ich weissag’, schnöder Knabe,
Der im Blut sich Wollust trinkt,
Schwer wird dir die süsse Habe,
Bis der Träger drunter sinkt!”

V

Alboin war heimgekehret
Aus dem süssen Wonneland
Das vom Nord stets unversehret
Als der Erde Stern da stand.

Doch der Geist, er war entflohen
Cäsars Landen, wie ein Dieb,
Seine Macht geknickt, sein Drohen,
Nur der Sternenhimmel blieb.

Götter, die nicht mitempfunden
Dieser Erde blut’ge Wehn,
Fühlten noch sich festgebunden,
Wo die hohen Pappeln stehn.

Alboin war dort gezogen
Keck mit seiner Reiterschaar,
Und sie stürzten, wie die Wogen
Ueber Klippen und Gefahr.

Rasch hat er den Sieg errungen,
Kehrte dann zum trauten Sitz,
Alles hat er selbst erzwungen,
Seine Seel’ ist Gottesblitz.

Und im üpp’gen Südenlande
Tönt von ihm der Cythersang,
Wie er gleich ‘nem Feuerbrande
Sie bekämpft in Sturm und Drang.

„Rosemunde! heute feiern
Wir der Heimkehr Festgelag,
Schaffe Zymbeln, schaffe Leiern,
Gieb, was Deine Kraft vermag!”

Und sie nickt ihm heimlich leise,
Tief in ihre Brust versenkt,
Ist so ganz besond’rer Weise,
Wie wenn jemand fernes denkt.

VI

Schon erschäumen rings die Becher,
Sprudelnd hoch vom Cypernwein,
Den geraubt der kecke Zecher
In dem Land vom Gluthenschein.

„Nun Helmichis! Waffenträger,
Prangend in der Schönheit Glanz,
Siegberühmter Lautenschläger,
Laut erschall’s, wie Waffentanz.”

„Wohl, mein Fürst!” und stolz erhebet
Sich der Jüngling kühngesinnt,
Greift die Leier, daß sie bebet,
Und des Sanges Lauf beginnt:

„Unten in dem Gluthenlande
Ist der Götter liebster Sitz,
Wie geknüpft von weichem Bande,
Von des Aethers reinem Blitz.”

„Und die Thränen, die sie weinen,
Als sie sein Verderb ersehn,
Spiegelnd mußten sie erscheinen,
In der Traube aufzugehn.”

„Süsser Saft der Purpurreben,
Ist der Götter Thränenfall,
Den sie über Romas Streben
Weinen und Vernichtungsschall.”

„Doch da kam er keck gezogen,
Alboin, so Ruhmesreich,
Ihn begrüßten stolz die Wogen,
Und die Welle trug ihn weich.”

„Als die Götter ihn erblicket,
Wurden alle sie besiegt,
Und ihr Haupt dem Helden nicket,
und das Gluthenland erliegt!”

VII

„Schön! mein Sänger, nimm den Becher,
Leere ihn auf einem Zug;
So! Du bist ein wack’er Zecher,
Und jezt thu ich dir genug.”

Alboin erfaßt ihn schnelle,
Stürzet ihn auf aller Wohl,
Und das Auge, jezt noch helle,
Zuckt in Gluthen dunkel hohl.

„Jeder soll mir heute trinken
Aus dem eig’nen Becher mein,
Denen meine Sterne winken,
Die gekämpft im Blutesschein.”

„Und vor allen, süsse Holde,
Thue mir doch auch Bescheid;
Sieh! der Becher strahlt im Golde,
Und der Wein stillt jedes Leid.”

Und sie fähret scheu zusammen,
Zuckt empor, die Wange bleicht,
Ihre grossen Augen flammen,
Alles Blut ihr bang entweicht.

Und sie schlägt die hohe Stirne,
Jeden Nerv’ zerreißt der Schmerz:
„Ha! mit meines Vaters Hirne
Treibt ihr frev’lend euren Scherz!”

„Und die Tochter soll gar saugen
Blut aus seinem Schädelhorn,
Eher trinken Blut die Augen,
Springt nicht mehr des Lebens Born.”

„Was! Du willst mir widerstreben,
Willst nicht trinken auf mein Heil?
Bin ich Vater nicht und Leben,
Deines Reichthums ganzer Theil?”

VIII

„Ha! ein Weib wagt mich zu höhnen,
Dem die halbe Erde bebt,
Dem Granit und Felsen stöhnen,
Und ein Weib, das durch mich lebt!”

„Schnöde Buhlin, nicht mir Gatte,
Von dem jämmerlichen Strand,
Dessen Männer schon mein Schatte
In den Tod hinabgesandt.

„Sieh! Du trinkst aus dem Pokale,
Trinkst mir zu auf Wohl und Glück
Oder bei dem Schwerdt von Stahle,
Kehrst zur Hölle gleich zurück.”

„Sei es! magst mich nur vernichten,
Doch ich trotze dem Begehr,
Würde selbst dich, Bube, richten,
Prangt’ ich nur in Manneswehr.”

„Sieh! den Vater laß ich graben
Aus der Erde weichem Sitz,
Geb’ ihn hin den Moderraben
Und des Himmels raschem Blitz.”

„Die Gespielen laß ich schlachten,
Für den hohen Sonnengott,
Und dich selbst soll Tod umnachten,
Treibst du, Buhle, frechen Spott.”

Und sie scheinet tief zu sinnen,
Und sie fühlt Helmichis Hand:
„Folge seinem Wuthbeginnen,”
Flüstert er, von Lieb’ entbrannt.

Und sie schwingt den Becher bebend,
Zittert bang, wie Espenzweig;
Alboin, sich stolz erhebend,
Preßt sie an den Busen gleich.

IX

Einsam in der nächt’gen Stunde,
Sizt sie da, in Wuthgestalt,
Blickt sie brütend, Rosemunde,
Als ein naher Ton erschallt:

„Sieh! ich lieb’ ihn, wie mein Leben,
Doch du, Göttin, bist mir mehr,
Alles will ich für dich geben,
Opfern selbst sein Leben hehr!”

„Doch ich spiel’ nicht, wie ein Knabe,
Bist du mein, wenn ich’s vollbracht?
Bring’ ich ihn zum tiefen Grabe,
Und mein Frühlingsmorgen lacht?”

„Sieh! dann wollen wir hinwallen,
In des Südens golden Land;
Ach! es zieht mich nach den Hallen,
Wie ein zartes Dämonsband.”

„Und an meine Brust will pressen
Ich die süsse, zarte Last,
Und das rauhe Land vergessen,
Und den Mord, den es umfaßt!”

„Denn ich liebt’ dich seit dem Tage,
Wo ich dich bethränt gesehn,
Und ich stillte deine Klage,
Und mußt’ selbst im Schmerz vergehn.”

Und sie nickt ihm heimlich leise,
Und er küßt sie glühend heiß,
Schleicht dann fort in stiller Weise,
Helmichis, der Sänger Preiß.

Kaum ist er hinweggezogen,
Naht ein Wesen, Nachterfüllt,
Wenig Rede wird gepflogen,
Und in Dunkel ist’s verhüllt.

X

Auf dem Lager liegt versunken,
Stolz und prangend Alboin,
Tief in Träumerein ertrunken,
Eingelullt in Phantasien.

„Ha! wär nimmer ich geboren,
Alles drängt sich um mich her,
Schon ein Roß hab’ ich verloren,
Meine Kraft erträgt’s nicht mehr!”

„Helmichis, mein Kampfgenosse,
Herrschend ist des Tags Gebot,
Leihe mir die Gluthgeschosse,
Leben gilt es oder Tod.”

„Komm! wir wollen durch sie sprengen,
Eine Welt erdrückt mein Arm,
Laß sie schaarenweis sich mengen,
Sie besiegt Verzweiflung sharm.”

„Ach! er träumt! soll ich ihm stossen
In die theure Brust das Schwerdt?
Soll ich morden ihn, den Grossen,
Der mich selbst im Traume ehrt?”

„Nun! mein Helmichis! nicht wanket,
Denn dem Mann geziemet Kraft,
Einst mein Gnadenhimmel danket,
Wenn wir uns hindurchgerafft!”

„So! er drängt mich selbst zum Handeln,
Spricht mir von dem süssen Lohn,
Ha! wir wolln nach Süden wandeln,
Wo des Himmels schönster Thron!”

Schon durchbohrt des Schwerdtes Schneide
Alboin in tiefer Brust:
„Ah! zu spät! ich sink’ im Leide,
Flieh Helmichis, meine Lust!”

XI

Und auf hohen Kriegesrossen,
In der Nächte dunklem Kleid,
Schweben sie, gleich Blitzgeschossen,
Die geschaffen schweres Leid.

„Halt Helmichis!” und ermattet
Sinket er vom raschen Speer,
Und ein Weib, von Nacht beschattet
Tritt aus Büschen gräßlich hehr.

Hohlig glotzen ihre Augen,
Und ihr Haar strömt um den Leib,
Rache scheint ihr Herz zu saugen,
‘s ist das arm Gepidenweib.

„Ach! so muß mein Leben enden,
Rosemunde und durch dich!
Götter mußten so es wenden,
Götter rächen fürchterlich.”

„Doch mein Geist flieht zu den Hallen,
Wo die hohen Pappeln stehn,
In den Blättern mag’s erschallen,
Will ich mich in Sang ergehn!”

Rosemunde spricht mit Beben:
„Nichts hab’ ich für dich vollbracht,
Opfer mußt’ die Tochter geben
Für des Vaters Todesnacht.”

Und er öffnet noch die Lippen,
Geister fliehn in süssem Hauch,
Ueber Meere, über Klippen
In das Land vom Myrrhenrauch.

„Komm jezt, meine Rosemunde
Wallen wir in fernes Land,
Tragen weit vom Volk die Kunde,
Dem du ach! das lezte Pfand.”