Freudig wogten rings die Reihen
Lucinde (Ballade)

Lucinde (Ballade)

An den Vater | Balladen | | 1818 |

Freudig wogten rings die Reihen,
Leben schien mit Lust vermählt
Und dem Glücke sich zu weihen,
Hielt sich jeder auserwählt.

Höher blitzt das Roth der Wangen
Rascher flicht des Herzens Lauf
Und ein seliges Verlangen
Trägt zu Himmeln kühn hinauf

Bruderkuß und Herzenseinung
Schliesset alle in den Kreis
Nicht mehr trennen Stand und Meinung,
Liebe herrscht und ihr Geheiß

Doch’s ist nur ein nichtig Träumen,
Das das warme Herz umfängt,
Das aus Staub und Erdenräumen
Sich zum Aether wagend drängt.

Götter können nimmer schauen,
Daß der Ird’sche sich vergißt,
Daß er seelig im Vertrauen
Himmel mit dem Erdengeist durchmißt.

Und es schleicht mit Dolch und Schneide
Durch die Reihn ein trüber Gast,
Seine Brust entbrennt vom Neide,
Hohn sein armes Herz erfaßt.

Denn sie war ihm Lieb’ und Leben,
Die im Brautkranz heute prangt,
Hatte schon das Wort gegeben,’
Und das Herz, das er verlangt.

Ruhig war er hingegangen,
Zu erkämpfen hohes Gut,
Götter krönten sein Verlangen,
Und es siegten That und Muth.

Und er kehret Ruhmbekränzet,
Zu der stillen Stadt zurück,
Wo sein schönstes Kleinod glänzet,
Wo ihn Sehnen ruft und Glück.

Schon erschauet er die Zinnen,
Seine Brust erträgt es kaum,
Alles darf er jezt gewinnen,
Und zum Wesen wird der Traum.

Eilend stürzt er zu der Schwelle,
Zu dem vielgeliehlen Haus
Es erglänzt in Lampenhelle,
Gäste wogen ein und aus.

Doch den Gast, den ungestümmen,
Hält ein Diener hemmend auf:
„Fremdling, willst das Dach erklimmen,
Wohin stürmt dein blinder Lauf?”

“Scheinst hierhin nicht zu gehören
Trägst kein gülden Festgewand
Kannst die Freude nur uns stören
Bist aus einem fernen Land.”

“Mensch! ich frage nach Lucinden!”
Und der Diener staunend schaut:
„Heute kann die jeder finden,
Denn Lucinde, sie ist Braut.”

Und der Fremde steht betroffen,
Der Athletenhohe wankt,
Stier reißt er das Auge offen,
Bis er zu der Pforte schwankt.

„Festlich mußt du hier erscheinen
An dem frohgeschmückten Ort,
Willst du dich den Gästen einen.”
Schallt des Dieners rauhes Wort.

Stolzverbissen kehrt er eilend
Auf dem wehbekannten Weg,
Wuth und Schmerz, den Busen theilend,
Halten Geist und Auge reg.

Und er stürzt mit Sturmesschritten
Nach der eig’nen Wohnung hin,
Und vor seinem Stoß und Tritten
Thür und Riegel offen fliehn

Raubt der Dienerin die Leuchte,
Wehrt der Hand, die zitternd trägt,
Angstschweiß deckt die Stirn, die feuchte,
Die der Arme stumm sich schlägt.

Einen Mantel hißt er prangen,
Purpurn von der Schulter walle,
Schmücket sich mit gold’nen Spangen,
Iäßt das haar herunterfalln.

An des Busens Heiligthume
Preßt er goldverziert ein Schwerdt,
Schwang es einst zu hohem Ruhme,
Seiner, der Geliebten werth.

Rückwärts trägt auf Windesflügeln
Ihn sein Schritt zum frohen Sitz;
Ach! er kann sein Herz nicht zügeln,
Und die Blicke rolln Vernichtungsblitz.

Bebend tritt er in die Pforte,
In das helle Festgemach,
Parzen sprechen Fluch und Worte
Ihrem Opfer zischend nach.

Stummgebeugt naht er und trauernd,
Stolz verhüllt in Prachttalar,
Alle Gäste packt es schauernd,
Allen scheint er wunderbar.

Wie ein Geist scheint er zu schreiten,
Einsam durch den vollen Saal;
Doch die Paare weiter gleiten,
Und es schäumt der Festpokal

Mögen auch die Reihen schwellen,
Nur Lucinde glänzt hervor,
Und in üppig vollen Wellen
Strömt die Brust aus leichtem Flor.

Jeden faßt ein still Verlangen,
Faßt’s mit tiefer Allgewalt,
Alle Blicke sehnend hangen
An der schwebenden Gestalt.

Und das Aug’ voll Geistesregung,
Lacht in unbewölktem Glanz,
Und in Grazienbewegung
Führt sie fort den bunten Tanz.

Schwebet leicht an ihm vorüber.
Der nicht von der Stelle weicht,
Und ihr Gluthenblick wird trüber,
Und die Purpurwange bleicht.

Und der Schaar will sie sich mischen;
Von dem Fremdling abgewandt,
Da erschallt ein höhnend Zischen,
Und ein Gott hält sie gebannt.

Und er mißt sie groß und strenge,
Wagt es finster ihr zu nahn,
Und versteinert steht die Menge,
Und sie blickt sich fragend an.

Doch Lucinden’s Hauch und Kehle
Scheint von Göttern zugepreßt,
Nach Erholung ringt die Seele,
An der Zofe hält sie fest!

“Ha! so muß ich treulos finden,
Dich, die längst mir angetraut,
Dich meineidig, dich Lucinden,
Dich als eines andern Braut!”

Und die Menge will ihn fassen,
Scheut sein Thun am frohen Ort
Doch er schleudert weg die Massen
Und wie Donner tönt sein Wort

„Keiner wage mich zu stören!”
Und die finstern Augen grolln,
Und sie müssen auf ihn hören,
Und dem Schmerz ein Opfer zolln.

„Nimmer will ich sie verletzen,
Fürchtet nimmer für ihr Heil,
Schauspiel soll sie nur ergetzen,
Gastlich geb’ ich ihr’s zu Theil.”

“Magst nur rasch dich weiterschwingen,
Ganz der frohen Lust geweiht,
Magst den Buhlen nur umschlingen,
Bald bist du von mir befreit.”

„Auch ich werde heut’ begehen
Einer Hochzeit bunte Pracht,
Hab’ mich anders umgesehen,
Meine Braut ist. Dolch und Nacht.”

„Doch noch einmal laß mich saugen
Wollust aus dem Blick und Gluth;
So! nun seh’ ich deine Augen,
Und du schauest jetzt mein Blut.”

Rasch durchbohren ihn die Klingen,
Die er lange schon gezückt,
Und die Lebensfäden springen,
Und die Nacht sein Auge drückt.!

Dumpf und krachend stürzt er nieder,
Jede Muskel bricht entzwei,
Tod umhüllet Pracht und Glieder,
Und kein Gott erweckt ihn neu.

Und Lucinde stumm ergreifet
Dolch und Schneide zitternd schnell,
Und das Eisen schon sie streifet,
Und es springt der Purpurquell.

Doch die Zofe, rasch besonnen,
Bebend vor des Blutes Strahl,
Hat die Waffe schon gewonnen,
Reißt ihr weg den scharfen Stahl.

Und sie sinkt, durchbohrt von Schmerzen,
Trauernd auf den Leichnam hin,
Saugt das Blut von seinem Herzen,
Und läßt ihres in es ziehn.

Und die weisse Gazbedeckung,
Die den schlanken Leib umschließt,
Färbet sich in Blutbefleckung,
Die sich sprudelnd drüber gießt.

Und sie bleibet lange hangen,
Klammernd an dem theuren Mann,
Und er lebte, wenn Verlangen
Einen Todten neu beseelen kann.

Hebet dann sich bleich und blutend
Von dem Mann, den sie erkohr,
Und die Menge murmelnd, fluthend
Schreckt entsezt und bang empor.

Eine Göttin, selbst sich richtend,
Dem Verderben auserwählt,
Hebet sie den Blick vernichtend
Zu dem Mann, der ihr vermählt.

Und ein Lächeln, eisig, höhnend
Ziehet um den bleichen Mund,
Und ein Angstschrei, dumpf und stöhnend
Thut den Wahn entsetzlich kund.

Und zerstiebet sind die Reigen,
Alles fliehet ohne Wahl,
Und die lauten Zymbeln schweigen,
Und verödet ist der Saal.