Weltgericht

Ach! vor jenem Totenleben
Vor der Heil’gen Preißgesang
Muß mein Haar sich sträubend beben
Ist mir in der Seele bang

Denn, wenn alles abgeschnitten
Aufgehört der Kräfte Spiel
und versunken, was wir litten
und erreicht das letzte Ziel

Soll’n wir Gott, den ew’gen loben,
Hallelujah ewig schrein,
Haben nie genug erhoben,
Kennen nicht mehr Lust und Pein.

Ha! mir schaudert vor der Stufe,
Die zu der Vollendung trägt,
Und ich schaud’re vor dem Rufe,
Wenn er mir an’s Sterbbett schlägt.

Einen Himmel kann’s nur geben,
Und der eine ist besezt,
Muß mit alten Weibern leben,
Die der Zahn der Zeit gewetzt.

Ihre Körper liegen unten,
Schutt und Moder obendrauf
Und die Seelen jetzt, die bunten,
Hüpfen wirr im Spinnenlauf.

Alle sind so dünn und mager,
Recht ätherisch und recht fein,
Leiber war’n wohl nie so hager,
Schnürten sie auch tüchtig ein.

Doch ich störe keck die Feier,
Heule rasend Lob und Preiß,
Und der Herrgott hört den Schreier
Und ihm wird’s im Kopfe heiß.

Und er winkt dem ersten Engel,
Winkt dem langen Gabriel,
Der erfaßt den lauten Bengel,
Expedirt ihn schnell.

Seht! das alles träumt‘ mir heute,
Von dem lezten Reichsgericht,
Darum zürnt nicht, gute Leute,
Denn der Träumer sündigt nicht.

Text: Karl Marx, ca 1837
Musik: Michael Zachcial, 2018
zu hören auf dem Album: Die wilden Lieder des jungen Marx