An Jenny (Sonette)

Buch der Lieder | | 1836 |

Ich weiß, in süßem Wähnen,
Dein voller Götterbusen bebt;
Und kaum verbirgst Du Thränen;
Und allzutiefes Sehnen

Muß sich auf Schmerzen lehnen.
Und jeder feinste Nerv erbebt.
Und jedes warme Hauchen strebt,
Bis es zum Himmel glühend schwebt

Und niemand kann erfassen
Die tiefdämonische Gewalt,
Die Geister, die Dich fassen,
Die, wie aus fernen Reichen,
In zart ätherischer Gestalt
Sich liebend zu Dir neigen.

II

Doch, Jenny, sieh! es liehen
Dem Sänger milde Götter Macht,
Er kann sie in sich ziehen,
Des Busens zartes Glühen,

Dein Sehnen und Dein Sprühen,
Und jeden Geist, der Dich bewacht,
Und er versteht der Wehmuth Nacht,
Und Deiner Seele gold’ne Pracht.

Und soll er stumm verfliessen,
In sich der Geistervolle Schmerz,
Und Tod in sich geniessen?
Und rings von Zwang gebunden,
Entseelen tief das schöne Herz,
Verbluten in den Wunden?!

III

Dein Herz ist ja mein eigen,
Und wenn das Grosse schwellend bricht,
Muß auch das meine schweigen,
Sich in die Dunkel neigen,

Dem Schattentanz sich reigen,
Dir selbst gehört das Hehre nicht,
Drum ströme aus sein Geistgewicht,
Und tauche Schmerz in Liebeslicht.

Ich will den Zarten hegen,
In Sangesblüthen Wunderreich,
Will ihn mit Klängen pflegen,
Verjüngt in Reitzgestalten
Melodisch voll und weich,
Soll er sich neu entfalten.