Phantasiegebilde – Sonette an Jenny

Buch der Lieder | | 1836 |

Komm! wir wolln in ferne Lande
Süsse Zauberin,
Weithinwegzuziehn,
Festgeknüpft von ew’gem Bande

Wo in reinem Aetherbrande
Alle Lüfte glühn,
Und die Felsen sprühn,
Wie verklärte Lichtgewande.

Und wir stehn da, tiefversunken,
Und von Deiner Nähe trunken
In der Liebe Pein,
Schwellen wonnig die Gefilde
Buhlt der Aetherschein
m das magische Gebilde

II

Gluthvoll in den heissen Hallen,
Selbst genährt vom Licht,
Schatten hülln sie nicht,
Darf die Liebe kühner wallen,

Freier Herzenstöne schallen,
Tiefer Geistgewicht,
Bis der Busen bricht,
Und die Klänge nicht verhallen,

Klingen weiter, klingen freier
Auf der Seele Aeolsleier,
Schlagen jeden Ton
Auf den gold’nen Wonnesaiten
Hin zum lichten Thron,
bis in’s Herz sie wieder gleiten.

III

Sinkest Du ermüdet nieder,
Auf dem üpp’gen Moos,
In der Blüthe Schoos,
Hüll’ ich Deine zarten Glieder;

Und ich ruhe bei dir nieder,
Blick das Auge groß,
Und von Liebesloos,
Schwellen tönend meine Lieder.

Alle Götter schwör’ ich mächtig
Und die Strahlen, süß und prächtig,
Hin zum zarten Bund,
Und der Blüthe holde Geister
Haucht mein Sängermund,
Und des Alles ew’gen Meister

IV

Muß Dein Busen, hoch von Sehnen,
Schwellen bei dem Sang,
Tief erfaßt von Drang,
Brichst Du aus in süssen Thränen,

Läßt Dein Lockenhaupt sich lehnen
Voller Saitenklang,
Wehmuthsvoll und bang
An des Sängers Herz und Wähnen

Dann ergreift es mich, wie Brennen,
Und das Ew’ge lern’ ich kennen,
Ferne Himmellust,
Preß’ von Zauber eingewieget,
Dich an meine Brust,
Und die Erde ist besieget

V

Und wir hauchen Geistesflammen,
Lebensgluth und Wehn,
In uns zu vergehn,
Wonnig siiß und voll zusammen,

Wie sie tief vom Herzen stammen,
Wo sie ewig stehn,
Als der Liebe Lehn
Zu entglühn in Wechselflammen;

Welten tauchen uns dann unter,
Doch es steigen schöner, bunter,
And’re vor uns auf;
Ihre Sonnen Harmonien,
Sphärengang ihr Lauf,
Ihre Fluthen Geistessprühen.

VI

Ach! es sind nur gold’ne Träume,
Die mein Herz erdenkt,
Ewig abgelenkt,
Fassen dich ja ferne Räume;

Kühlen and’re Schattenbäume,
Ueber dich gesenkt;
Süsse Labung schenkt
And’rer Fluthensprung und Schäume.

Deine Geister darf ich halten,
Ahnen, gleich wie Traumgestalten,
Deiner Schönheit Licht,
Darf in Phantasien dich schmücken,
Doch Du wirst mir nicht,
Und ein Wahn ist mein Entzücken.