Schiller meint er sei leidlich gewesen

Schiller, meint er, sei leidlich gewesen
Hätt‘ er nur mehr in der Bibel gelesen
Seine Glocke sei gar ein trefflich Gedicht
Enthielt es nur noch die Auferstehungsgeschicht
Und wie auf einem Eselein
Christus zog in die Stadt hinein
Auch sollt‘ er dem Wallnstein hinzu noch fügen
Von Davids Sieg und Philisterzügen

Göthe sei für Frauen ein Grauen,
Denn er passe nicht grad‘ für alte Frauen
Er habe ja nur die Natur ergriffen
Sie nicht mit Moral zurechtgeschliffen
Hätt‘ Luthers Katechete sollen studieren
Daraus dann Verse fabriciren
Zwar das Schöne hat er manchmal gedacht
Doch vergaß er zu sagen: „Gott hab‘ es gemacht.“

Gar absonderlich Trachten,
Den Göthe so hoch zu achten,
Wie nieder war doch sein ganzes Streben,
Hat er zu Predigten Text je gegeben?
Zeigt nur in ihm was von festen Kernen,
Woraus für Bauer und Schulmann zu lernen!
So fehlt ihm des Genius Götterstempel,
Er löste nicht einmal — ein Rechenexempel.

Hört nun, wie das Ganze vom Faust entsprungen
Der Dichter hat falsch es vorgesungen
Der Faust, der hatte der Schulden zu viel
War liederlich, trieb das Hazardspiel
Und wie er keine Hülfe von oben gesehn
Da wollt‘ er schmählich zu Grunde gehn
Darum ihn nun ängstlich Gefühl überkam
Von Hölle und Verzweiflungsgram.
Da dacht‘ er über Leben und Sterben,
An Wissen und Thun und Verderben,
Und sprach gar vieles darüber hin
In dunkelmystischem Sinn.
Konnt‘ das nun nicht der Dichter zieren,
Erzählen, wie Schulden zum Teufel führen,
Wie, wer sich um den Kredit gebracht,
Gar leicht sein Seelenheil vermacht?

Der Faust, der wagt am Ostertag zu denken,
So braucht er sich nicht erst dem Teufel zu schenken?
Wer an solchen Tagen zu denken wagt,
Der ist von selbst der Hölle versagt.

Auch ist die Warscheinlichkeit Ganz verlezt,
Durft ihn die Polizei sonst dulden?
Hätt‘ sie ihn nicht in’s Gefängniß gesezt?
Er flog ja fort und bezahlt nicht die Schulden!

Den Faust, den kann nur das Laster erheben,
Er will ja nur für sich selber leben,
Er wagte zu zweiflen an Gott und Welt,
Vergaß, daß Moses gelungen sie hält.

Die dumme Grethe, die mußt‘ ihn lieben,
Statt ihm in’s Gewissen recht zu schieben,
Wie er dem Teufel verfallen sei,
Und der jüngste Tag käme bald herbei.

Die „schöne Seele“, die könnt man noch nutzen,
Doch müßt‘ man sie erst mit Brill‘ und Nonnenkapp‘ stutzen.
„Was Gott thut, das ist wohlgethan!“
So fügt der wahre Dichter an.

Schlußepigramm an den pustenden Meister

So knete deine Kuchen nur zurecht,
Dann bleibst du immer doch ein Bäckersknecht.
Wer wollte auch von dir verlangen,
Du solltest dich an Göthen hangen?
Er hat ja selbst dein Handwerk nicht gekannt,
Wie käm er zu Genie dann und Verstand?

Text: Karl Marx, 1836
Musik: Felix Kroll, 2018
Von dem Album “Die wilden Lieder des jungen Marx”, für das Album leicht gekürzt