Sie stand auf hohem Berge (Die Nonne)

Sie stand auf hohem Berge,
Sah ’nunter in tiefes Thal,
Sie sah ein Schifflein schwimmen,
Mit Rittern beladen war’s.

Der allerschönste Ritter,
Der auf dem Schiffe saß,
Der gab der Jungfer zu trinken,
Aus goldnem Römerglas.

Was giebst du mir zu trinken,
Was giebst du mir für Wein?
In’s Kloster will ich gehen,
Will Gottesdienerin sein.‘

„Willst du in’s Kloster gehen,
Willst Gottesdienerin sein,
Gedenk‘ an unsre Liebe,
An uns’re Lieb‘ und Treu.“

„Ich gedenk an keine Liebe,
Ich gedenk an keinen Mann,
Ich gedenk an Gott den Vater,
Der mich erhalten kann.“

Und wie sie kam in’s Kloster,
In’s Kloster, Gotteshaus;
Die Zeit wird ihr zu lange,
Zum Fenster schaut sie hinaus.

„Kämmt denn dein Liv geritten,
Der dir dai Herz zerbricht?“
„Und käm er auch geritten,
Mein Herz er nicht zerbricht.“

Was träumet ihm am Rheine,
Was träumet ihm so schwer?
Gleichsam wie wenn Herzallerliebste,
In’s Kloster gegangen wär.

„Steh‘ auf, steh‘ auf mein Knechte,
Sattl‘ mir und dir ein Roß,
Den Fußsteig wolln wir reiten,
Den sie betreten hat.“

Und wie er kam vor’s Kloster,
Gar höflich klopft er an: „
Gebt mir die jüngste Nonne,
Die erst ist kommen an!“

Es ist keine angekommen,
Es kommt auch keine hinaus!
„So will ich das Kloster anzünden
Das schöne Nonnenhaus.“

Da kam sie hergeschritten,
Wohl in schneeweissem Kleid,
Ihr Haar war abgeschnitten,
Ihr Kranz war eingeweiht.

Was hat sie in den Händen,
Von Gold ein Becherlein,
Was giebt sie ihm zu trinken?
Vom allerbesten Wein.

Der Ritter dreht sich umme,
Zu ihr sagt er kein Wort;
Er hat kaum ausgetrunken,
Da fällt er um und stirbt.

Mit ihrem gold’nen Messer
Gräbt sie dem Ritter ein Grab,
Mit ihrem goldnen Ringle
Macht sie dem Ritter a’n Klang.‘

Mit ihren waissen Handerlai
Zog sie den Glockenstrang;
Mit ihrem rothen Minderlai
Macht sie dem Ritter a’n Gesang.

Ein Kirchlein ließ sie bauen,
Wohl auf des Liebsten Grab,
Darin will sie verbleiben,
So lang sie’s Leben hat.