Die Mutter (Ballade)

Buch der Lieder (2. Teil) | | 1836 |

Sie hält den zarten Knaben
Wohl in dem Arme fest,
als wollt’ allein sie haben,
Den sie am Busen preßt

Sie blickt so still und wonnig
Das Antlitz hold verklärt
Das Auge glüht so sonnig,
Von Liebe großgenährt

Sie ist so ganz versunken,
In seinem süssen Bild,
Sie lacht, so zärtlich trunken,
Sie scherzt, so freundlich mild.

Da zittert’s durch die Glieder,
Wie bebend Espenlaub,
Der Busen sprengt das Mieder,
Sie scheint des Todes Raub.

Das theure Gut entgeistert
In ihrem Arme liegt,
Vom Schmerze übermeistert,
Sie Todesleiden wiegt.

‘ne Natter wühlt im Herzen,
Und saugt das süsse Blut,
Und schwelgt in seinen Schmerzen,
Und trinkt die heisse Gluth

Die Mutter preßt sie höhnend
An’s Herz im Ungestümm;
Ein Angstschrei, dumpf und stöhnend,
Und Sieg dem Ungethümm!

Sie sinkt in tiefem Leiden,
Ihr Herz des Knaben Grab
Noch liebevoll im Scheiden,
Und Himmel schaun hinah.