Die Zerrißne (Ballade)

Balladen | | 1818 |

Sie steht im Prachtgewande
Von Purpurkleid geziert
In zartem Atlasbande
Das sich im Busen verliert

Und spielend in den Locken
Ein Rosenkranz ihr ruht,
Die einen gleich Schneesflocken,
Die andern, wie Feuer und Blut

Doch nimmer der Rose Flammen
In ihrem Antlitz spielt,
Sie sinket gebeugt zusammen,
Wie ein Wild, das der Pfeil erzielt

Sie blicket so bleich und so bebend
In vollem Demantenschein
Das Blut von der Wange strebend
es schlägt in’s Herz hinein.

Schon wieder mußt’ ich eilen,
Zu stürzen in leere Lust, Die Schritte schwebend theilen,
Gepreßt in tiefer Brust!”

„Mir schlägt ein ander Verlangen
Durch der Seele wogend Meer,
Als mich an Pracht zu hangen,
So kalt, so liebeleer!”

„Ich weiß mir nicht zu erklären,
Was in dem Busen brennt,
Der Himmel kann’s nur gewähren,
Kein irdischer Laut es nennt.”

„Und keinem darf ich’s vertrauen,
Sie spotten meiner nur,
Vermögen nicht zu schauen
In tiefere Natur.”

„Ach! dürft’ ich fliehen, fliehen
Zum Aether hoch hinauf,
Doch Stürm’ und Wogen ziehen
Mich fort im Erdenlauf.”

„Ich möcht’ so gerne sterben,
Im Schmerze untergehn,
Den Himmel zu erwerben,
Und schöner Land zu sehn!”

Sie schlägt den Blick mit Thränen,
Hinauf zum Himmelslicht,
Und ihres Busens Wähnen
In stummen Seufzern bricht.

Dann legt sie leis sich nieder,
Und spricht ein tief Gebet,
Und Schlaf umhüllt die Glieder
Und ein Engel über ihr steht.