Trennungsabend VI (an Jenny)

Und nichtig war nicht mein Sinnen
Das nach ihm aufgestrebt
Das Höchste wollt‘ ich gewinnen
Es schaun, wie es glüht und lebt

Ich sucht’s im Land der Ideen,
In fernen Phantasien,
In warmer Lüfte Wehen,
In gold’ner Sterne Ziehn.

Doch nimmer konnten sie stillen
Der Seele heiß Begehr,
Wo warme Pulse nicht quillen,
Da herrscht es nimmermehr.

Jetzt hab‘ ich es belauschet
In seinem hellsten Strahl,
Die Seele noch bebend rauschet
Von Schönheitslust und Qual.

Ich hielt Dich schwebend, tragend,
Zu sichern das theure Gut,
Die Arme um dich schlagend,
Dich pressend an Herzensgluth.

So wär‘ ich gern gestürmet
Bis an das Ende der Welt,
Wo das Nichts sich ragend thürmet
Wo ein Gott sich entgegenstellt.

Doch ach! wir kamen zum Sitze,
Der neidisch Dich umfängt,
Wo zwischen Seelenblitze
Die Trennung sich höhnend drängt.

Ich hielt Dich noch einmal umschlungen,
Ich preßte Deine Hand,
Und die Pforte war zugeklungen,
Und uns trennen Fluthen und Land.