Die zwei Himmel (An Jenny)

Auf der Reise nach Berlin im Wagen

Die Berge ziehen,
Die Wälder fliehen
Weg von dem sehnenden Blick,
Sie lassen keine Spur zurück

Und kaum ist ihre Pracht entglommen,
Und himmelwärts ragt kaum ihr Bau
Da hat ein Gott sie weggenommen
In bunter Wechselschau

Vergebens suchen wir ihr Bild zu halten
Uns ziehen fort die wogenden Gestalten,
Und die Brust bleibt so kalt, so leer,
Und Befriedigung saugen wir nimmermehr

Vergebens wollen wir uns hangen
An dieses Glühen, diese Pracht
Schon ist der Zauber untergegangen
Und ein Satyr höhnisch lacht

So rollen die Bilder vorüber
Bald heller, bald trüber
Wir scheinen in Wahn und in Strudel gezogen
Und plätschern dahin mit den rauschenden Wogen

Doch über allem dem Spielen und Treiben
Zwei Himmel stehen bleib
Es ist der Himmel da oben,
Mit Wolken und Sternen umwoben,
Es ist der Himmel tief in der Brust,
Ihn umhüllen Schmerzen und Lust

Am Himmel da oben leuchten viel Sterne,
Hinab in die Nacht, hinein in die Ferne,
Doch einer glühet allzumal,
In das wogende Meer, in das ragende Thal,
Und ob die andern verschwimmen,
Bald hier, bald dorthin glimmen,
Er steht
Ewig in Mayestät.

Am Himmel da unten blitzen viel Flammen,
Die vom Allgeist stammen,
Meteorengleich
Hausen sie in der Tiefe Reich.

Sie sind vom Vater weggeflogen,
Es hat sie zum Menschen hingezogen,
Sie tanzen in ungeregeltem Gang,
Stimmen bald hoch, bald tieferen Klang,

Scheinen ihm oft die Brust zu zersprengen,
Ihn in das All und den Aether zu drängen,
Zeigen ihm das unbekannte Land,
Von dem sie sich weggewandt,
Und ihn ergreift es wie Lust und wie Wehen,
Er möcht in sich selber vergehen,
Er fühlt sich so groß, er fühlt sich so klein,
Er dünkt sich bald Nacht und bald Aetherschein

Auch diese vergänglich unvergänglichen Flammen
Hält eine Sonne zusammen,
Sie strahlt das Gewirre klar,
Das dämonenwunderlich war,
Sie läßt in Klangestönen
Gluth und Schatten sich söhnen,
Ihr Allaut
Mit dem Hohen und Tiefen sich traut.
Und durch das ganze Getriebe
sie und heißt: Liebe.

Auch in meinem Busen mußte sie auferstehn
Als ich, Jenny, Dein Seelenauge gesehn
Als Geist und Blick so sehnsuchtstrunken
In Deine Gestalt versunken
Als Du an mir vorübergeschwebt,
Jeder Nerv vor Empfindung gebebt,
Als ich so ganz in Dich verloren,
Da war auch mir der Himmel erkoren,
Da brannte die Brust, da glühte der Blick
Und jede finstere Macht wich zurück

Der Himmel da oben bleibt ewig stehen,
Wird ewig liebeathmend auf Wolken und Blitzen gehen,
Uns beiden ist er ewig gemein,
Seine Gluth und sein Aetherschein.
0! Laß auch den Himmel im Herzen nicht fallen,
Laß einen Ton ihn zwei Seelen durchhallen!
Brichst Du das Band, so stürz‘ ich hinab,
Mich umhüllt die Fluth, mich verschlingt das Grab,
Es haben beide Himmel sich untergetauchet,
Und die blutende Seele verhauchet.