Lied eines Schiffer’s auf der See.

Buch der Lieder (2. Teil) | | 1836 |

„Ihr möget spielen, ihr möget schlagen
Und hüpfen um meinen Kahn
Ihr müßt ihn zum Ziele tragen
Ihr seid mir unterthan.”

„Und gleich ‘nem schnellenden Pfeile,
So flieh ich durch’s Wasserland,
Und trotz, der stürmischen Eile
Entflieht nur nicht Ufersrand.”

„Da warten sie. alle, die Lieben,
Bis der Kühne heimgekehrt,
Den Wind und Welle so oft getrieben,
Der immer unversehrt.”

„Da unten, ihr blauen Wogen,
Da ruht mein Bruder klein,
Ihr habt ihn hinabgezogen,
Und zehrt nun sein Gebein.”

„Ich selber war noch ein Knabe,
Verwegen löst er das Schiff,
Greift nach dem Ruderstabe,
Und sank vom sandigen Riff.”

„Da schwur ich tief im Herzen,
Bei den Wellen blau und naß,
An euch zu rächen die Schmerzen,
Euch zu peitschen ohn’ Unterlaß.”!

„Und treulich hab’ ich gehalten,
Der Seele Schwur und Wort,
Ich geiß’le euch stets ihr kalten,
Ich peitsch’ euch ohn Unterlaß.”

„Ihr möget nur immer erbossen,
Wenn Ruderschlag sich erhebt,
Wenn der Kahn auf dem Rücken, dem Grossen,
So sanft und sicher schwebt.”

„So oft die Tiefe erbrauset,
Die Glocke zittert vom Thurm,
Und dumpf Orkan ersauset,
Und es rast in Wuth und Sturm;!

Dann treibt’s mich aus dem Bette,
Von meinem sichern Sitz,
Von der still und warmen Stätte
Zu segeln in Sturm und Blitz.”

„Und ich kämpfe mit Wind und Wellen,
Und bete zu Gott, dem Herrn,
Und laß die Segel gellen
lind schau zum sichern Stern.”

Dann sammeln sich die Kräfte
Voll Feuer und kühner Lust
Und in dem Todtgeschäfte,
Ertönt das Lied aus der Brust

„Ihr möget spielen, ihr möget schlagen
Und hüpfen um meinen Kahn,
Ihr müßt ihn zum Ziele tragen,
Ihr seid mir unterthan.”

„Ihr habt den Bruder gerissen,
Hinab in den sprudelnden Schlund,
Den Körper zart zerbissen,
Getrieben in Meeresgrund.”

„Doch sein Geist ist hochgeflogen,
Hinauf zu seinem Gott,
Jezt hört er, wie die Wogen
Erdröhnen von Schlag und Spott.”

„Ich raub’ euch eure Genossen,
Für meinen sich’ren Teich,
Zieh’ sie an eig’nen Flossen
Aus dem schauerlich dunk’len Reich.”

„Ich schlage euren Rücken,
Und kämpfe mit eurer Wuth,
Und alles muß mir glücken,
Und beherrscht ist die Riesenfluth.”

„Dann müßt ihr wiederspiegeln
Den Himmel licht und klar
Müßt eure Wellen zügeln,
Mich bergen vor Gefahr.”

„Dann saug’ ich der Lüfte Wehen
So frisch und lebend und kühl,
Und keine Grenzen stehen,
Und mich engt kein Strassengewühl.”

„Der Himmel lacht da oben,
Hier unten trägt mich die Fluth,
Der Blick ist frei und gehoben,
Und der Frieden im Busen ruht.”