Die Romanze vom Grab (Napoleon)

Die Winde ziehn, die Wolken eilen,
Die Sonne weint, die Sterne stehn,
Und Blitze rasch die Luft durchtheilen
Und stille Trauerweiden wehn.

Es kommen die Wogen,
An’s Ufer gezogen,

Und tragen Perlen an’s ragende Grab,
Und hüpfen auf nassem Wasserstab.

Und Meerbeschilfte Götter singen
In’s krummgebog’ne Muschelhorn,
Vom grossen Mann, von Wunderdingen,
Und von der Ew’gen Thun und Zorn

Da senkt sich hernieder,
Der Nacht Gefieder,

Und ringsum herrschet dumpfes Schweigen
Und es tanzen die Schatten in Nebelreigen

Es steigt aus schreckenvollem Schauer,
Tief aus der Erde dunklem Herz,
Ein Geist, die Stirn umhüllet Trauer,
Und aus dem Auge blitzet Schmerz

Und vor ihm stehet,
Von Dämonen erhöhet

Gebietend gefesselt durch Zauberbann,
Wie von Eisen erbaut, ein Erdenmann

„Ha! muß ich so mich selber quälen,
Der Erdengeist, von Schmerz erfüllt!
Dich sollten meine Zauber stählen,
In Sonnen hatt‘ ich dich gehüllt.

Ich rann in Zähren,
Dich Held! zu gebähren,

Ich preßte zusammen Kraft und Pein,
In dir ein waltender Gott zu sein

„Und was hast du /um Dank gegeben,
Was liehst du mir als ew’gen Lohn?
Du stürztest auf dich selbst das Leben,
Und sankst vor ihm, Napoleon!

Und des Busens Gewalten,
Du liessest sie schalten,

Die Erde, der du zum Gott gestaltet,
Sie lag durch dich in Graun entfaltet“!

„Du löschtest keck mit Frevelsinnen,
Die Flammen, die ich dir gesandt,
Vergebens war mein schön Beginnen,
Du stürmtest weg, von mir gewandt.

Und im Kämpfen und Ringen,
Mich selber zu zwingen,

Die Thränen bedeckt von der herrschenden Hand,
Mußt‘ ich dich zertrümmern im Felsenland.“

„Ach! meinen liebsten Sohn durchbohren,
Für den mein Busen bebend schlug
Den ich zum Helden mir erkoren,
Jahrtausend‘ in dem Schosse trug!

Doch ich schwor’s den Göttern,
In Sturm und Wettern,

Den Sohn, den ich ersehn zum Grossen,
Wenn er sie höhnt, in die Tiefe zu stossen.“

„So muß ich stets mich selbst verletzen,
Von meinem eig’nen Stamm verhöhnt
Denn Geister horchen den Gesetzen
Wodurch sich Erd‘ und Himmel söhnt.“

Und Welten rollen,
Vor des Geistes Grollen,

Und die Stirne rinnt von heissem Blut
Und Länder vergehn in des Tropfens Gluth

Die frohgesellnnickten Auen spalten
Die nebelvolle Tiefe auf,
Und Blutgefärbte Nachtgestalten
Entquillen rasch im Schattenlauf.

Er schüttelt die Locken,
Und wo die Flocken

In fernen Landen niederfalln,
Da hört man’s, wie Tod und Entsetzen schalln.

Und immer kleiner sinkt zusammen
Der Held vor Geisteswort und Drohn,
Und rings gehüllt in dunkle Flammen,
Weint Riesenschmerz Napoleon.

Und will sich retten
Aus Bann und Ketten,
Doch tiefer pressen ihn nur die Schranken,
Er droht gezwungen im Nichts zu entschwanken.

Da naht aus ew’gen Regionen,
’ne mildverklärte Gluthgestalt,
Und auf der hohen Stirne thronen
Der Schönheit Zauber und Gewalt.

Es tönt das Gebilde
Melodischmilde,
Und haucht Verklärung und strahlet Licht,
Und lächelt süß und zürnet nicht.

„Ich nah! dich, Erdengeist zu söhnen
Mit Deiner selbsterschaff’nen Wuth,
Die strengen Götter mögen höhnen,
Ich kenne Liebe nur und Gluth.

So oft die Wogen
Dich weggezogen,
So oft du dich selber niedergebeuget
In der stolzen Kraft, die du erzeuget

Dann werf ich süsse Prachtgewande,
Der Dichtung Zauber um dein Kind,
und streife weg die Erdenbande
Und sing die Rachegötter blind.

Was geirrt und gefehlet,
Die Leier verhehlet,
Doch was die Seele zum Himmel gesandt,
Das sing‘ ich und künde es Gluthentbrannt.“

„Im Leben hast du selbst gerichtet,
Gebannt von Eid und ew’gem Wort,
Doch ist der blut’ge Kampf geschlichtet,
Dann trag‘ ich seine Zeichen fort.

Und setz‘ an die Stelle,
In Morgenhelle,
Den Ruhmverklärten Weihekranz,
Die ewige That, den fesselnden Glanz.“

Der Lichtgott löst des Helden Schranken,
Und schmückt der Schläfen hohes Paar,
Der arme Erdgeist kann nicht danken,
Er lächelt nur, so wunderbar.

Und in Gluthentfaltung,
In Riesengestaltung,
Schwillt auf der Held, zu Wolken gehoben,
Und leuchtet als ewiger Stern von oben.