Sehnsucht (An Jenny)

Einen Harfenspieler seh ich ziehen
Leicht mit hoffnungsvollem Sinn
Dürft‘ ich weiter, weiter mit ihm fliehen
Zu dem kleinen Thale hin

Wo die Felsen hoch sich kuppen
In der Wolken fernen Sitz
Drunter lagern dichte Nebelgruppen
Um sie spielet Sturm und Blitz

Führt der Wanderstab zu deinem Fenster,
Stimmt‘ ich meine Leier tief,
Scheuchte von Dir Unhold und Gespenster,
Wenn Dein süsses Auge schlief:

„Schlumm’re meine Traute
Träume süsse Lust,
Klinge meine Laute,
Rein aus voller Brust.“

„Engel mögen schweben
Mild im Zephyrtanz,
Himmel Dir zu geben,
Und der Sterne Glanz.“

„Schwebe durch die Reigen
Schwebe auf und ab,
Alles wird sich neigen,
Wie durch Zauberstab.“

„Und es wallen nieder,
Schlafesgötter mild,
hüllen Deine Glieder
Süß in Wahngebild.“

„Fliehn in Deine Augen
Leis in dichtem Flor
Wollust sich zu saugen
Lächeln sanft hervor.“

„Und auf Harmonien,
Auf dem reinsten Laut,
Wagen sie zu fliehen,
Wo der Aether thaut.“

„Und die Geister kleiden
Dich in Wolkenschmuck
Und es fliehn die Leiden
Und der Erdendruck.“

„Tragen Dich in Sterne,
Hörst den Sphärentanz,
Alle Näh und Ferne
Schwillt im Bliithenkranz.“

„Um das Haupt siehst spielen
Zarte Engelein,
Deine Gluthen kühlen,
Sich im Wolkenhein.“

„Busen klopft Dir freier,
Schwillet mehr und mehr,
Und in Himmelsfeier
Brennt das Auge hehr.“

„Rings in Glanz gehüllet,
Sanfte Himmelgluth,
Von Gesang erfüllet,
Auf des Aethers Fluth,

Wie ein Gottgebilde,
Ein verklärt Gesicht,
Schaust Du groß und milde;
Schatten nahen nicht“!

„Süsse Kränze schwellen,
und es klingt der Sang,
Schöne Geister quellen
Aus der Seele Drang.“

„Und Du willst sie halten,
Wonnelust und Pracht,
Greifst nach den Gestalten“
Und Dein Geist erwacht.

„Ach der süsse Wonnetraum enteilet,
Und mein zartes, schönes Glück!“
„Nicht so Huldin, Götterleben weilet,
Werfe in Dich selbst den Blick.“

Und ich preß‘ die Zyther an dem Herzen,
Mit dem Spieler fortzuziehn:
„Zu Dir treiben Sehnsucht mich und Schmerzen,
Und das Schicksal zwingt zu fliehn!“

Deinem Busen Geister sich entschwingen,
Wie Erinn’rung schlägt’s empor:
„Hört ich nicht bekannte Töne klingen,
Und ein treues Herz zum Ohr?“